Angst bei Hunden: Erkennen, Verstehen und bewährte Tipps zur Bewältigung

Ängste sind unter Hunden stärker verbreitet, als Viele vermuten. Sie spielen oft eine Rolle bei der Entstehung von problematischem Verhalten.

Für dich als Hundehalter*in ist es daher wichtig, die Anzeichen von Angst bei deinem Hund zu erkennen, zu wissen, wann Handlungsbedarf besteht, und angemessen zu reagieren. Alles was du dazu wissen musst, erfährst du in diesem Blogbeitrag.

Die Bedeutung von Angst bei Hunden

Angst ist eine komplexe Emotion, die mit unterschiedlichen Verhaltensreaktionen einhergehen kann. Sie wird in Situationen aktiviert, die potentiell oder tatsächlich gefährlich für den Hund sind. Angstreaktionen gehören also zu einem körperlichen Schutzmechanismus vor Gefahren. 

Es gibt sowohl angeborene Ängste, als auch erlernte. So lösen zum Beispiel plötzlich auftretende laute Geräusche, auf ganz natürliche Weise, Angst bei Hunden aus. Reagiert ein Hund hingegen ängstlich darauf, wenn man ihm ein Stück Futter hin hält, hat das eher mit unschönen oder gänzlich fehlenden Lernerfahrungen zu tun.

Auch in Situationen, wo der allgemeine Stresslevel des Hundes sowieso schon erhöht ist, entweder durch äußere Faktoren oder auch durch innere (z.B. Schmerzen), werden Umgebungsreize, die der Hund in diesem Zustand wahrnimmt, eher als bedrohlich und beängstigend bewertet.

Typische Verhaltensweisen bei Angst

  • Flucht und Meideverhalten: Der Hund versucht, sich vom Auslöser der Angst zu entfernen oder auf Distanz zu bleiben.
  • Hemmung im Verhalten: Der Hund wird passiv und versucht unauffällig zu bleiben.
  • Beschwichtigungssignale/Submission: Hier geht es darum, soziale Spannungen zu reduzieren und Aggression vom Gegenüber abzuschwächen/zu stoppen.
  • Verstecken: Der Hund sucht einen Ort auf, an dem er möglichst nicht entdeckt wird.

So erkennst du Angst am Ausdrucksverhalte

In der Körpersprache von Hunden gibt es Feinheiten, die Hinweise auf den emotionalen Zustand des Tieres geben. Hier sind ein paar Anzeichen, die auf Angst hindeuten. Beachte bitte dabei, dass ein Anzeichen alleine nicht Aussagekräftig ist. Entscheidend ist das Gesamtbild.

  • Körperoberfläche wird verkleinert: geduckte Haltung, klein machen
  • Ohren anlegen
  • Analregion bedecken, Rute anlegen/unter den Bauch klemmen
  • Stressanzeichen als Begleitsymptomatik (z.B. erweiterte Pupillen, Hecheln, viel Anspannung im Körper..)

Möchtest du tiefer in das Thema Körpersprache eintauchen und mehr über Anzeichen für Angst, Stress und weitere Befindlichkeiten/Zustände lernen? Dann kannst du das hier tun.

Verschiedene Formen von Angst bei Hunden

Angst ist komplex und ich möchte hier nicht zu sehr auf Details eingehen. Was aber wichtig zu wissen ist: Es gibt Angstreaktionen, die sind sinnvoll, hilfreich und funktional für das Tier und helfen ihm dabei, sich bestmöglich anzupassen und vor Gefahren zu schützen. 

Beispiel: Es gibt einen lauten Knall, der Hund erschreckt sich kurz, schüttelt sich einmal und läuft dann “normal” weiter. Es gibt hier einen konkreten Auslöser, eine verhältnismäßige Angstreaktion, die nur kurz anhält, bevor der Hund sich wieder reguliert und ins Wohlbefinden zurückfindet. Alles gut, es gibt keinen Handlungsbedarf.

Dann gibt es aber leider auch Formen von Angst, die nicht funktional sind, die Lebensqualität des Tieres herabsetzen und den Organismus belasten. Dazu gehören:

  • sehr häufige Angstreaktionen (der Hund ist im Alltag ständig Angstauslösern ausgesetzt)
  • unverhältnismäßig starke Reaktionen (der Hund reagiert sofort panisch/extrem)
  • lang anhaltende Reaktionen (Regulation findet nicht oder sehr spät statt) 
  • gesteigerte Ängstlichkeit (der Hund reagiert nicht auf einen konkreten Auslöser sondern zeigt sich allgemein ängstlicher, ohne erkennbaren Grund)
  • eine Zunahme an Angstreaktionen wird beobachtet (der Hund reagiert immer früher, häufiger, länger anhaltend, intensiver auf bestimmte Auslöser)
  • der Hund ist in seinem Verhalten sehr gehemmt, zeigt wenig Anzeichen von Erkundung und Freude und wirkt eher in sich gekehrt

In solchen Fällen besteht unbedingt Handlungsbedarf.

Versteckte Angst – Wenn Hyperaktivität, Rückzug oder Aggression Anzeichen sind

Manchmal äußert sich Angst nicht durch die “klassischen”, oben beschriebenen Anzeichen, sondern durch Hyperaktivität, depressive Verhaltensweisen, überreaktives oder auch aggressives Verhalten. All das kann einen Ursprung in Ängsten haben. 

Angst verändert seine äußere Form, wenn der Hund keine Möglichkeit zur Flucht etc. hat oder solche Verhalten gestraft wurden.

Beispiel 1: Der Hund möchte eine Begegnung mit einem Artgenossen vermeiden, bleibt stehen und möchte dann zur Seite weg gehen. Der Hundehalter ignoriert das und zieht seinen Hund an der Leine weiter. Der Artgenosse kommt immer näher und der Hund schmeißt sich bellend in die Leine.

Beispiel 2: Der Tierarzt nähert sich dem Hund mit einer Spritze, dieser versucht weg zu gehen. Die Halterin hält ihn fest und hindert ihn an der Flucht. Der Tierarzt kommt näher, der Hund beginnt die Zähne zu fletschen und zu knurren.

Außerdem können sich Schmerzen und Ängste sehr ähnlich äußern, weshalb es ratsam ist, den Hund medizinisch untersuchen zu lassen, falls eine Angstproblematik vorliegt.

Was braucht ein ängstlicher Hund von seiner Bezugsperson

Ein Hund mit Ängsten braucht in erster Linie Verständnis und Rücksichtnahme. Kein Hund möchte Angst haben und kein Hund kann Angst vortäuschen. Es ist wichtig, deinen Hund in seiner Angst ernst zu nehmen. 

Wenig hilfreich sind dumme Sprüche wie:

  • Der stellt sich nur an.
  • Da ist doch gar nichts.
  • Was für eine Diva.
  • Da muss der jetzt durch.

Unterstützung ist unerlässlich, um das Wohlbefinden des Hundes zu fördern und als vertrauensvolle Bezugsperson wahrgenommen zu werden. 

Manchmal müssen Abläufe angepasst oder Situationen anders gestaltet werden, zum Beispiel indem man dem Hund die Möglichkeit gibt mehr Abstand zu etwas zu machen oder freundlich mit ihm spricht und ihm beisteht. 

Außerdem kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist wichtig, die Bereitschaft zu haben, das eigene Verhalten zu ändern, um dem Hund zu helfen. Und ja, Ängste kann man abbauen! Das ist so wichtig zu verstehen. 

Einen Hund als “Angsthund” zu labeln und zu akzeptieren, dass der halt so ist, sorgt dafür, dass dieser Hund eine geringe Lebensqualität hat. Das heißt nicht, dass jeder Hund komplett selbstbewusst und ohne Angst durchs Leben gehen kann, aber es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten, die auch genutzt werden sollten.

In besonders schweren Fällen kann der Besuch bei einem/einer Verhaltensmediziner*in erforderlich sein. Diese*r kann u.a. prüfen, ob eine medikamentöse Unterstützung notwendig ist, um Trainingserfolge zu ermöglichen und eine erste Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.

Wie du deinem Hund helfen kannst, Ängste abzubauen

Um Ängste zu reduzieren, ist eine individuell angepasste Herangehensweise sinnvoll, die den speziellen Bedürfnissen und der Lebenssituation deines Hundes gerecht wird. Dennoch gibt es einige allgemeine Tipps, die ängstlichen Hunden helfen können.

Co-Regulation: Nähe und Schutz bieten

Biete deinem Hund Nähe und Schutz an, ohne ihn dabei zu bedrängen. Sprich ruhig und beruhigend mit ihm, um ihm Sicherheit zu geben. Falls er berührt werden möchte oder (bei kleinen Hunden) auf den Arm oder Schoß will, dann ermögliche das.

Bekannte Interaktionen anbieten

Biete deinem Hund eine ihm vertraute Aktivität an, die ihm Freude bereitet, wie beispielsweise das Suchen nach Leckerchen, einen Trick den er gerne ausführt oder ein gemeinsames Spiel. Das kann Sinn machen, wenn dein Hund einen Angstauslöser wahrnimmt, der noch keine starke Angstreaktion auslöst. Du kannst so direkt eine gute Stimmung erzeugen und positive Assoziationen zum Auslöser fördern.

Rituale etablieren

Schaffe feste Rituale/Abläufe in Situationen, die für deinen Hund herausfordernd sind. Durch berechenbare Abläufe fühlt sich dein Hund sicherer.

Handlungen ankündigen

Vermeide es, deinen Hund zu überrumpeln. Kündige Handlungen wie Anfassen oder Anleinen vorher an, damit er sich darauf einstellen kann und weniger überrascht wird.

Optimiere die Haltungsbedingungen

Gestalte die Haltungsbedingungen so, dass sie möglichst selten Angst auslösen. Sorge dafür, dass dein Hund ausreichend Raum für seine Bedürfnisse hat und sich wohlfühlen kann.

Training über positive Verstärkung

Setze auf kleinschrittiges Training über positive Verstärkung. Diese Art zu trainieren sorgt für Dopamin und Endorphin Ausschüttungen, also für „Glückshormone“. Sobald du Übungen abfragst, die auf diese Weise trainiert wurden, kommt dein Hund in eine positive Stimmung, was der Angst entgegen wirkt.

Geduld haben

Sei geduldig. Der Abbau von Ängsten braucht Zeit, und dein Hund wird nicht von heute auf morgen gelassen durch die Welt laufen. Geduld und kontinuierliches Training sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

Professionelle Hilfe suchen

Scheue dich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Lieber frühzeitig als zu spät. Ein*e erfahrene*r Hundetrainer*in oder Verhaltenstherapeut*in kann dir und deinem Hund maßgeschneiderte Unterstützung bieten.

Fazit

Ängste sollten im Zusammenleben mit Hunden nicht unterschätzt und vor allem ernst genommen werden. Es ist wichtig, sich mit dem Thema zu befassen und zu wissen, wann es sich um eine ganz normale und unproblematische Angstreaktion handelt und ab wann Handlungsbedarf besteht. 

Bei einer bestehenden Angstproblematik sollte unbedingt daran gearbeitet werden, dass es zu einer Verbesserung der Situation und damit der Lebensqualität des Tieres kommt. Wir Hundehalter*innen profitieren natürlich auch davon, wenn wir beobachten können wie unser ängstlicher Hund immer mehr an Selbstvertrauen und Lebensfreude gewinnt. Schließlich haben wir alle eines gemeinsam: Wir wollen nur das Beste für unsere Hunde.

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