Schmerzen als (Mit-)Ursache für Problemverhalten: Erkenne die Anzeichen
Der Einfluss der körperlichen Gesundheit auf das Verhalten von Hunden wird häufig unterschätzt. Es gibt unzählige Verhaltensauffälligkeiten, von Aggressionsproblemen bis hin zu ausgeprägtem Trennungsstress, die durch gesundheitliche Probleme (mit)verursacht werden können. Insbesondere Schmerzen werden häufig nicht erkannt und dem entsprechend auch nicht rechtzeitig behandelt. Dieser Artikel befasst sich mit dem Einfluss von Schmerzen auf „Problemverhalten“ und soll dich dabei unterstützen auch subtile, häufig übersehene Anzeichen bei deinem Hund zu erkennen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann nicht nur das Wohlbefinden deines Hundes steigern, sondern auch Verhaltensprobleme reduzieren oder ihnen vorbeugen.
Schmerzen werden oft nicht oder erst spät erkannt
Schmerzen zu verbergen sorgt in der Natur für einen Überlebensvorteil. Tiere, die sich körperlich schwach oder beeinträchtigt zeigen, sind leicht angreifbar und werden schnell zur Beute. Wahrscheinlich ist das ein Grund dafür, dass Hunde häufig sehr gut darin sind Schmerz zu „verbergen“.
Es gibt Anzeichen von Schmerzen, die wir Hundehalter*innen fast alle erkennen können. Wenn ein Hund deutlich lahmt, nur noch zögerlich und langsam aufsteht oder bei einer bestimmten Berührung laut aufjault ist mehr als deutlich, dass der Hund Schmerzen hat. Diese Anzeichen treten eher bei akuten Verletzungen oder schon sehr fortgeschrittenen Problemen auf, jedoch sind sie bei weitem nicht die Einzigen Hinweise auf Schmerzen bei Hunden.
Beim Haustierarzt fallen viele Anzeichen für Schmerzen nicht auf, denn einiges davon lässt sich im Alltag des Hundes besser beobachten, als bei einem 10 minütigen Aufenthalt in der Tierarztpraxis. Hinzu kommt, dass viele Hunde beim Tierarzt sehr aufgeregt und angespannt sind, was dazu führen kann, dass Symptome überdeckt werden. Es kann sehr hilfreich sein, den Hund im Alltag zu filmen, falls dort etwas auffällig zu sein scheint, um dem Tierarzt die Aufnahmen zeigen zu können.
Problemverhalten & Schmerz – Wo ist der Zusammenhang?
Vielleicht kennst du es von dir selbst. An einem Tag wo du Kopf- oder Rückenschmerzen hast bist du weniger belastbar. Viellicht reagierst du schneller genervt oder bist gereizter als sonst. Deine Bedürfnisse ändern sich. Du möchtest dich vielleicht mehr zurückziehen, ausruhen oder eine Schmerztablette einnehmen, damit du dich besser fühlst.
Hunde können genauso Bauch-, Zahn- oder Hüftschmerzen haben wie wir. Der unterschied ist, sie können es uns nicht über Worte mitteilen und sie haben weniger Möglichkeiten selbstwirksam zu handeln als wir Menschen. Sie leben in einem Abhängigkeitsverhältnis, in dem die meisten Entscheidungen über ihren Tagesverlauf für sie getroffen werden.
Es passiert schneller als man denkt, dass man den eigenen Hund in Situationen bringt, die ihn gerade überfordern, weil es ihm nicht gut geht. Das kann dazu führen, dass ein Hund plötzlich alles mögliche anbellt, schneller beginnt zu knurren, sich mehr zurück zieht als sonst oder ängstlicher auf seine Umwelt reagiert.
Schmerz verändert die Resillienz des Hundes, wirkt sich also negativ auf die Fähigkkeit aus Stressituationen gut zu bewältigen und kann sich auf verschiedenste Weise in einem veränderten oder auffälligem Verhalten zeigen. Besonders belastend und schwer zu identifizieren ist chronischer Schmerz, der die Lebensqualität drastisch senken kann.
Verhaltensauffälligkeiten, bei denen körperliche Ursachen ausgeschlossen werden sollten
Bei manchen Verhaltensproblemen ist es besonders relevant Schmerzen und andere Erkrankungen ausschließen zu lassen.
Das gilt zum Beispiel für sehr intensive Problematiken, bei denen die Reaktionen des Hundes sehr ausgeprägt oder intensiv sind. So wie für Verhaltensauffälligkeiten, die sich plötzlich entwickeln, ohne dass die Verhaltensveränderung auf Erlebnisse und Lernvorgänge zurück geführt werden kann.
Hunde die sich eingeschränkt lernfähig zeigen und die trotz sachgemäßem Training keine Fortschritte machen oder in ihrem Verhalten stark schwanken sollten ebenfalls einem Tierarzt vorgestellt werden.
Auffälligkeiten beim Spazieren, wie eher langsames laufen, fehlendes oder vermindertes Erkundungsverhalten, Probleme oder Stressanzeichen beim Kot- und Urinabsatz, häufiges Wälzen oder wiederholtes, plötzliches stehen bleiben können ebenfalls Anzeichen für Schmerzen darstellen.
Auch, wenn Auslöser für Angst, Aggression oder deutliche Stressreaktionen des Hundes nicht auf Veränderungen im Umfeld (wie ein Geräusch oder eine Bewegung) zurück geführt werden können und die Reaktion „aus dem Nichts“ zu kommen scheint, können Schmerzen ursächlich sein.
Ein Checkup beim Tierarzt kann ebenfalls sinnvoll sein, wenn es in auffallend vielen Bereichen des Alltags Probleme gibt.
Bei sogenannten Abnormal Repetitiven Verhaltensweisen (ARV) muss unbedingt ein Tierarzt konsultiert werden. Hier ist die Lebensqualität des Tieres schon stark beeinträchtigt und es ist wichtig zu klären ob körperliche und/oder psychische Faktoren ausschlaggebend sind.
(Ein ARV ist ein Verhalten, dass sich in einer Dauerschleife wiederholt, scheinbar keine sinnvolle Funktion erfüllt und kaum unterbrechbar ist. Das kann ein Hund sein, der sich ständig im Kreis dreht, sich an der Pfote leckt bis diese Wund wird, der langanhaltend und gleichbleibend bellt oder ständig nach unsichtbaren Fliegen schnappt.)
Hinweise auf Schmerzen an der Körpersprache erkennen
Wer subtile Anzeichen für Schmerz erkennen möchte, sollte sich unbedingt mit der Körpersprache von Hunden beschäftigen. Fühlen sie sich in einer Position, mit einer bestimmten Bewegung oder bei einer Berührung an einer schmerzhaften Stelle unwohl, dann wird sich dass an ihrer Körperoberfläche zeigen.
Es gibt zahlreiche kleine und größere Hinweise für ungute Gefühle und Empfindungen. Besonders lohnt sich der Blick auf die Stressanzeichen, sowie Anzeichen für Angst. Denn tatsächlich liegen Schmerz- und Angstanzeichen sehr eng zusammen und sind manchmal nicht so einfach von einander zu unterscheiden.
Ich erinnere mich daran, wie meine Hündin vor einigen Jahren mit einem Ball gespielt hat. Sie hatte eine weiche Körpersprache, und die Aktivität schien ihr sichtlich zu gefallen. Plötzlich spannte sich ihre Gesichtsmuskulatur an sie Kniff die Augen zusammen, legte die Ohren zurück, lies den Ball fallen und rannte ins Haus. Eine deutliche Angstreaktion, die sich auf Zahnschmerzen zurückführen ließ.
Die Merkmale für Stress und Unwohlsein sind zahlreich. Sie reichen von kleinen Anzeichen wie mit der Zunge über das Maul lecken oder gähnen bis hin zu starken Stressreaktionen wie einfrieren. Wenn du tiefer in das Thema Körpersprache eintauchen möchtest, dann gelangst du hier zu meinem online Kurs.
Schmerzanzeichen durch Berührungen erkennen
Es gibt verschiedene Hinweise darauf, dass dein Hund Schmerzen haben könnte, die du durch Berührungen feststellen kannst. Wie oben schon beschrieben zählen dazu einmal die körpersprachlichen Reaktionen, die dir direkt anzeigen wo dein Hund gerne berührt wird und wo es für ihn unangenehm oder sogar schmerzhaft ist. Des weiteren kannst du auf folgendes achten:
- Warme Stellen
Wenn du mit der flachen Hand über den Körper deines Hundes streichst kannst du evtl. Bereiche entdecken, die wärmer sind als andere. Solche warmen Stellen könnten ein Zeichen für entzündliche Prozesse sein. - Reaktionen der Muskulatur
Zieht sich die Muskulatur am Rücken plötzlich bei Berührung zusammen oder reagiert dein Hund sehr empfindlich, kann dies darauf hinweisen, dass diese Stelle schmerzt. - Unterschiede in der Muskulatur
Beim Abtasten kannst du prüfen, ob die Muskulatur deines Hundes auf beiden Körperseiten gleichmäßig entwickelt ist. Sollte dein Hund eine Schonhaltung einnehmen, kann die Muskulatur auf einer Seite stärker ausgeprägt sein als auf der anderen. - Abnutzung der Krallen
Wenn du Schleifspuren auf der Oberseite der Krallen bemerkst, könnte dies darauf hinweisen, dass dein Hund ein Bein auffällig bewegt. - Verhalten bei Berührungen
Reagiert dein Hund auf bestimmte Berührungen gestresst, versucht dir auszuweichen oder zeigt Anzeichen für Unwohlsein, Angst oder sogar Aggression, könnte dies ebenfalls ein Zeichen für Schmerzen sein. - Fellveränderungen
Auch Fellveränderung wie Haare, die in eine ungewöhnliche Richtung abstehen oder eine Stelle, an der viele weiße Haare sprießen können auf körperliche Veränderungen und Schmerzen hindeuten.
Auffällige Liege- und Sitzpositionen, die Schmerzbedingt auftreten können
Oft ist es hilfreich, den Hund in Ruhe Positionen zu beobachten. Besonders gut ist es, wenn du genau weißt wie dein Hund aussieht wenn er richtig entspannt liegt und sich wohl fühlt. So kannst du ungewöhnliche Liegepositionen die der Entlastung schmerzender Körperpartien dienen besser identifizieren.
Neben sehr ungewöhnlichen Liegepositionen können in Ruhezuständen folgende Anzeichen auf Schmerzen hindeuten:
- Angespanntes Gesicht während dem Schlafen
- Schwierigkeiten die richtige Schlafposition zu finden und zur Ruhe zu kommen
- Zögerliches oder spätes aufstehen
- Sich fallen lassen, statt langsam die Liegeposition einnehmen
- Auch an kühlen Tagen ganz flach auf kalten Untergrund legen
- Sitzen mit abgeknickter Hüfte („lazy sit“)
- Auffälligkeiten beim Hinsetzen oder wieder aufstehen
Fazit
Schmerzen können sich auf unterschiedliche Weise äußern und sie können ihren Teil zur Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten verschiedenster Art beitragen. Sie sind nicht immer leicht zu erkennen und manchmal sind mehrere Besuche bei verschiedenen Tierärzten nötig um Schmerzen zweifelsfrei belegen und passend behandeln zu können.
Du hast in diesem Artikel viele mögliche Anzeichen für Schmerzen kennen gelernt. Die hier aufgeführten Hinweise können auch andere Ursachen haben und sind keine sicheren Anzeichen für ein bestehendes Schmerzgeschehen. Außerdem gibt es weitere mögliche Anzeichen, die in diesem Artikel nicht genannt werden, denn das Thema ist sehr komplex.
Leider können Hunde uns nicht durch Worte mitteilen wie es ihnen gerade geht, jedoch gibt ein achtsamer Blick auf ihr Verhalten und Veränderungen in diesem Aufschluss über ihr Wohlergehen. Man muss nur wissen worauf genau man achten muss.
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