Die Geheimnisse einer vertrauensvollen Mensch-Hund-Beziehung

Wahrscheinlich wünschen wir Hundehalter*innen uns alle eine vertrauensvolle Beziehung zu unserem Hund. Was mich angeht, trifft das auf jeden Fall zu.

Nur, woran genau erkennen wir eine Beziehung, die auf Vertrauen fußt? Und wie erschaffen wir eine solche Verbindung zu unserem Hund? Kann gebrochenes Vertrauen wieder „repariert“ werden? Genau mit diesen Fragen befasse ich mich in diesem Artikel und eines kann ich schon mal vorweg schicken: Vertrauen aufbauen und halten, heißt aktiv werden, sich selbst reflektieren, dazu lernen und das eigene Verhalten verändern. 

Was genau ist eigentlich Vertrauen?

Im Duden ist Vertrauen definiert als: „festes Überzeugtsein, von der Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit einer Person, Sache.“ Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert den Begriff folgender Maßen: „Vertrauen ist die Erwartung, nicht durch das Handeln anderer benachteiligt bzw. geschädigt zu werden; als solches stellt es die Grundlage jeder Kooperation dar…“. Positiv ausgedrückt könnte man sagen: Vertrauen ist die Erwartung im Kontakt mit einer Person sicher zu sein.

Beide Definitionen enthalten wertvolle Hinweise darauf, was für eine vertrauensvolle Beziehung zum Sozialpartner Hund unbedingt gegeben sein muss:

  1. Wir Halter*innen müssen im Umgang berechenbar und verlässlich handeln.
  2. Der Hund muss sich im Kontakt mit uns sicher und wohl fühlen können.

Heraus sticht auch ein Vorteil, einer von Vertrauen geprägten Beziehung: Vertrauen führt zu einer erhöhten Kooperationsbereitschaft. Für das Zusammenleben mit unseren Hunden ist das natürlich ein ganz wichtiger Aspekt, der am Ende beiden Parteien den gemeinsamen Alltag erleichtert.

Woran erkennt man Vertrauen bzw. Misstrauen?

Bevor ich näher darauf eingehe was du ganz konkret tun kannst um ein gutes Vertrauensverhältnis aufzubauen, zu erhalten oder zu vertiefen, schauen wir uns an woran du erkennst, ob und wie gut dein Hund dir vertraut.

Es ist dabei wichtig zu verstehen, dass Hunde kontextbezogen Lernen und sich in verschiedenen Situationen auch unterschiedlich verhalten. 

So kann es also sein, dass dein Hund dir in ganz bestimmten Situationen vertraut, während er dir in anderen Kontexten misstraut.
Mal ein ganz simples Beispiel: Wenn ihr gemeinsam auf der Couch liegt, kuschelt sich dein Hund an dich und schläft tief und fest ein. Er hat gelernt, dass er in diesem Kontext sicher ist und sich in deinem Beisein entspannen kann. Auf der anderen Seite rennt dein Hund vor Angst in die letzte Ecke, wenn du die Krallenschere raus holst, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass du ihn beim Krallen schneiden fest hältst und er dieser unangenehmen Situation nicht entkommen kann. Hier vertraut er dir nicht.

Allgemein ausgedrückt wird der Hund, der dir in einer Situation vertraut, von selbst zu dir kommen (ohne das du Druck aufbaust), mit dir kooperieren und eine eher neutrale, entspannte oder positiv gestimmte Körperhaltung zeigen. Misstraut dir dein Hund in einer Situation, wird er dich wenn möglich meiden, sich verstecken oder ganz angespannt, gestresst, ängstlich oder beschwichtigend und nur auf Nachdruck oder unter Zwang zu dir kommen oder dort bleiben.

(An dieser Stelle ist es mir wichtig zu sagen, dass Vertrauen zu dir natürlich nicht alles ist! Ein gutes Vertrauensverhältnis sorgt nicht dafür, dass dein Hund sich in Bezug auf Umweltreize (z.B. fremde Hunde oder Geräusche) immer sicher fühlt und mit dir entspannt durch alle Situationen läuft. Es ist aber eine wichtige Basis, um nachhaltig an solchen herausfordernden Situationen trainieren zu können.)

Da die Welt nicht schwarz und weiß ist, kann es auch sein, dass dein Hund in bestimmten Situationen zwischen Vertrauen und Misstrauen schwankt. Er kann sich dann nicht entscheiden, ob er bleiben oder gehen, näher kommen oder Abstand suchen soll.
Hunde, die solch einen inneren Konflikt erleben und diesen nicht gut für sich lösen können, stehen in diesem Moment stark unter Stress. Dies ist an ihrem Ausdrucksverhalten zu erkennen und mündet häufig in Übersprungverhalten wie Aufreiten, Anspringen, sich kratzen o.ä. Verhalten die so gar nicht zur Situation passen wollen. 

Das allgemeine Vertrauensverhältnis zu deinem Hund ergibt sich aus der Summe der Erfahrungen, die er in verschiedenen Alltagssituationen mit dir macht. 

Das Vertrauenskonto

Du kannst es dir so vorstellen: In dem Moment, indem dein Hund dich zum ersten mal getroffen hat, wurde ein Vertrauenskonto eingerichtet. Seit her finden bei jeder Interaktion zwischen euch Ein- oder Auszahlungen vom Konto statt. 

Interaktionen, in denen sich dein Hund sicher und wohl fühlt, stellen eine Einzahlung aufs Konto dar. Jede Interaktion, in der er sich bedroht fühlt, einen Kontrollverlust erlebt und nicht sicher bei dir ist, entspricht einer Abhebung vom Konto. 

Ein kontinuierlich hoher Kontostand steht für ein gutes und solides Vertrauensverhältnis. Ein Konto im Minus steht für ein stark beschädigtes Vertrauensverhältnis. Starke Schwankungen im Kurs sind vergleichbar mit einem ambivalenten Verhältnis.

Weder das Konto in den Miesen, noch das mit den starken Schwankungen ist erstrebenswert, wenn man ein angenehmes Zusammenleben mit seinem Hund haben möchte.
Ziel sollte es sein, das Konto immer in den schwarzen Zahlen zu halten, kontinuierlich einzuzahlen und nur selten etwas abzuheben. 

Ein prall gefülltes Konto verkraftet die gelegentlichen Abbuchungen, die das Zusammenleben einfach mit sich bringen, problemlos.
Ein Konto, das kaum gefüllt ist oder von dem mehr abgehoben als eingezahlt wird, landet schnell im Minus.

Im Minusbereich stehen in der Realität dann häufig starke Verhaltensauffälligkeiten wie wiederkehrendes Aggressionsverhalten, Überreaktives Verhalten oder sozialer Rückzug und Inaktivität (bitte beachte, dass es auch andere (zusätzliche) Ursachen für diese Auffälligkeiten geben kann). 

Das Gute an einem Konto ist: es ist ständig im Wandel! Du kannst also ein Konto, dass sich gerade in den Miesen befindet, wieder ins Plus befördern oder einen ständig schwankenden Kurs stabilisieren.

Möglich ist das allerdings nur dann, wenn du bereit bist zu akzeptieren, dass du an dir selbst arbeiten und Energie investieren musst um die Umgangsformen mit deinem Hund zu verändern. Vielleicht ist es auch nötig neben Energie und Geduld auch Geld (z.B. in einen qualifizierten Trainer) zu investieren. Denn eventuell weißt du aktuell zwar was schief läuft, kennst aber noch keine anderen Strategien mit verschiedenen Situationen umzugehen und brauchst schlicht und ergreifend Unterstützung dabei. Ich hoffe, die nachfolgenden Tipps werden dir schon mal an der ein oder anderen Stelle weiter helfen.

 

Wann wird Vertrauen eingebüßt?

Wie ich schon erwähnt habe, gibt es in einem gemeinsamen Alltag immer mal wieder Situationen, in denen sich dein Hund mit dir unwohl fühlt. So wird es also mal passieren, dass du deinem Hund versehentlich auf die Pfote trittst, ihm eine Zecke entfernen musst oder er sich erschreckt, weil dir neben ihm etwas runter fällt. Genauso wird es sicher mal vorkommen, dass du einen richtig miesen Tag hast und genervt auf deinen Hund reagierst oder deine Stimme mal etwas erhebst. 

Handelt es sich bei unangenehmen Erfahrungen mit dir um Ausnahmen, die hin und wieder passieren, während die angenehmen Erfahrungen mit dir überwiegen, ist alles im grünen Bereich. 

Nun leben wir aber in einer Welt, in der der Umgang mit unseren Hunden von etwas geprägt ist, das Dr. Susan Friedman als „cultural fog“ (kultureller Nebel) bezeichnet.
Das „Wissen“, dass über das Verhalten von Hunden kursiert, beruht zu einem Großteil auf Hörensagen, Nachahmung und Fake News. Nicht auf Fakten.
So hat Gerti mal von ihrem Nachbarn Theo gehört, dass ihr Hund die Führung übernimmt, wenn er an der Leine vorläuft und denkt jetzt sie müsste selbst die Führung übernehmen, in dem sie ihren Hund einschüchtert, damit er sie nicht mehr überholt.
Tom wird sofort laut, wenn sein Hund etwas tut, was ihn stört, weil er als Kind beobachtet hat, dass seine Eltern es mit dem Familienhund so gemacht haben.
Tine war in einer Hundeschule, in der ein Trainer lehrt, der keine richtige Ausbildung absolviert hat und veraltete Informationen weiter gibt. Von ihm hat sie gelernt, dass ihr Rüde dominant ist und er zu Hause nicht mehr ohne Erlaubnis von seinem Platz aufstehen darf.

Genau solche, recht weit verbreiteten, Umgangsformen, bedeuten ständige Auszahlungen vom Konto. Was du also unbedingt vermeiden solltest:

  • Ständig aversiv auf den Hund einwirken (z.B.: laut werden, bedrohliche Körpersprache, mit Wasser bespritzen, Leinenrucke, dauernd an der Leine weiter zerren etc.)
  • Bedürfnisse und Emotionen nicht ernst nehmen und missachten
  • Den Hund weg schicken, wenn er Schutz/Hilfe sucht
  • Wiederholt oder länger am Stück einsperren/isolieren 
  • Körperkontakt erzwingen (z.B. den Hund dabei festhalten)
  • Sich unberechenbar verhalten
  • Zwangsmaßnahmen im allgemeinen

Es ist ganz wichtig zu wissen, dass solche Maßnahmen und Umgangsformen niemals notwendig sind (wenn wir nicht gerade von einer Notsituation sprechen) und sie auf verschiedenen Ebenen Schaden anrichten. Unter anderem eben, wenn es um ein gesundes Vertrauensverhältnis geht. Denke dafür nochmal an eine der Definitionen, in denen es heißt:“Vertrauen ist die Erwartung, nicht durch das Handeln anderer benachteiligt bzw. geschädigt zu werden“.

Wie kann Vertrauen aufgebaut und vertieft werden?

Es sind Interaktionen, die dein Hund angenehm findet, die dich in die schwarzen Zahlen bringen. Ganz allgemein ist ein wohlwollender und freundlicher Umgang die absolute Grundlage dafür. Dabei ist es außerdem wichtig, dem Hund (so oft es möglich ist) in einem sicheren Rahmen, selbstwirksames Handeln und Entscheidungen zu ermöglichen. 

Mach dir bewusst, dass Hunde in einem starken Abhängigkeitsverhältnis leben. Wenn wir ihnen keine Möglichkeit geben selbstwirksam zu handeln und ihnen nicht zugestehen Bedürfnisse zu äußern, leben sie schnell in einer recht tristen und ungesunden Umwelt. Wir sind dann keine verlässlichen Sozialpartner, bei denen man sich sicher und geborgen fühlt. 

Folgende Dinge helfen dir außerdem ein gutes Vertrauensverhältnis zu deinem Hund aufzubauen:

  • Lernsituationen so gestalten, dass der Hund viel „richtig“ machen kann, „Fehler“ erlaubt und sehr unwahrscheinlich sind
  • Training über positive Verstärkung
  • Insgesamt ein Fokus auf das was der Hund „gut“ macht 
  • Berechenbares Handeln
  • Körperkontakt anbieten und respektieren, wenn der Hund gerade keinen möchte
  • Schutz/Hilfe bieten, wenn der Hund es braucht
  • Bedürfnisse wahrnehmen und decken
  • Unterstützung geben, wenn der Hund struggled
  • Gemeinsames Spiel

Wenn euer Zusammenleben von einem wohlwollenden Umgang geprägt ist, dann zahlst du täglich aufs Vertrauenskonto ein und kannst ein stabiles Polster aufbauen. Du kannst dich dann darauf verlassen, dass die gelegentlichen Abhebungen, keinen bleibenden Schaden verursachen, weil ihr weit entfern davon seit ins Minus zu rutschen. 

Du wirst einen Hund haben, der gern zu dir kommt und mit dir interagiert. Der dich als verlässlich einordnet und lernen durfte, dass er bei dir sicher ist. Der keine Angst davor haben muss etwas „falsch“ zu machen und ein eher angenehmer Begleiter im Alltag ist.

Fazit

In dem Spruch:“Vertrauen muss man sich verdienen“, steckt viel Wahrheit. Eine Vertrauensvolle Beziehung zu seinem Hund bekommt niemand geschenkt. Für einige ist Vertrauensaufbau aber ganz sicher leichter, als für andere. 

Wer so aufgewachsen ist, dass er selbst einen liebevollen Umgang seitens der eigenen Eltern erfahren hat und schon dabei zusehen konnte, wie man respektvoll und wohlwollend mit Tieren umgeht, wird es wahrscheinlich leichter haben ganz „intuitiv“ eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Hund aufzubauen.
Menschen, die autoritär erzogen wurden und schon bei den Eltern beobachtet haben, dass der Hund regelmäßig angeschnauzt wird, müssen eventuell mehr Arbeit investieren um zu einer vertrauensvollen Bezugsperson für ihren Hund zu werden.

Ich selbst gehöre übrigens eher zu den Jenigen, die etwas härter daran arbeiten mussten. Vor allem in Bezug auf den Umgang mit Pferden, habe ich schon als Kind einen klassisch aversiv geprägten Umgang kennen gelernt und teilweise übernommen.
In meiner Jugend fand ich außerdem die Serie „der Hundeflüsterer“ beeindruckend und habe geglaubt es wäre sogar gut für meinen Hund, wenn ich ihm „ganz klar seine Grenzen aufzeige“ (wie das so schön umschrieben wird). Das ich dort Tierquälerei beobachtet und bewundert habe ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen.

Ganz egal wo du jetzt gerade stehst und durch welche Informationen du bisher beeinflusst wurdest: Du kannst immer damit anfangen ein gutes und stabiles Vertrauensverhältnis zu deinem Hund aufzubauen, zu vertiefen oder zu stabilisieren!

Bereit für eine positive Veränderung?

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